Geben Sie Gewissensfreiheit, Mr. Bush!
09. Mrz 2007
In der an die Pressevertreter verteilten Einführung ins amerikanische Militärgerichtswesen steht: Das Ziel der Militärgesetzgebung besteht darin, die Effizienz und Effektivität der Militäreinrichtung vorwärts zu bringen, und so die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten zu stärken.Die im Rahmen der amerikanischen Militärgesetzgebung sehr milde Strafe von Richter Colonel Peter Masterton zeigt, dass dieser bei der Urteilsfindung selbst seinem Gewissen gefolgt ist und dass die Worte des zivilen Verteidigers David Court bei ihm auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Leider ist das Urteil noch nicht rechtskräftig; es wird in die nächste Instanz vor ein Militärgericht in Washington gehen.
Für die Friedensbewegung bedeutet dies einerseits die Verpflichtung bekannt zu machen, dass auch innerhalb eines militärischen Rahmens wenn auch sehr geringe Räume für das persönliche Gewissen des einzelnen Soldaten, bleiben sei es nun ein einzelner Soldat, der erst im Krieg selbst erkennt, dass er aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern muss, sei es eines Richters, der über ihn zu urteilen hat. Für die Friedensbewegung kann es nicht nur darum gehen präventiv zu wirken, Krieg zu ächten und für eine zivile Beilegung von Konflikten zu kämpfen, sondern auch darum, innerhalb militärischer Strukturen selbst Räume der Menschlichkeit zu entdecken und diese möglichst zu erweitern. Es geht darum, das Gewissen der Soldaten zu wecken und zu stärken. Hätten alle Soldaten im Krieg ein Gewissen wie Agustin Aguayo, so könnte Krieg kein Mittel der Politik mehr sein.
Während die Vereinigten Staaten im Irak ihre Truppenstärke ständig noch zu erhöhen suchen, verschlechtert sich tagtäglich die Lage der Menschen in diesem Land. Wir wissen über direkte Kontakte von Pax Christi Italien zur chaldäischen Kirche in Bagdad und Kirkuk nicht nur, wie sehr die Zivilbevölkerung unter dem Krieg leidet. Die Präsenz der amerikanischen Truppen hatte eine ungeheure Radikalisierung muslimischer Bevölkerungsgruppen zur Folge. Wir hören von dort: Inzwischen komme es zu einer regelrechten Christenverfolgung. Christliche Frauen könnten z.B. nicht mehr unverschleiert das Haus verlassen. Priester würden immer wieder entführt, gefoltert und getötet.
Nicht eine Vergrößerung der Truppenstärke im Irak ist unserer Meinung nach ein Schritt in Richtung auf Frieden in diesem Land, sondern der Nachweis, dass die Vereinigten Staaten von Amerika selbst die Freiheit einer Gewissensentscheidung wie der von Agustin Aguayo respektieren!
Bad Vilbel, den 9. März 2007
Nähere Auskünfte über die pax christi Bistumsstelle Würzburg, Sprecherin Barbara Häußler, Frankenstraße 2, 97228 Rottendorf (Tel.09302-3664) und Sprecher Dr. Stefan Silber, Sodenackerstraße 6, 63877 Sailauf (Tel. 06093 993 567)
Anlage zur Stellungnahme von Dr. Reinhard J. Voß, Bad Vilbel, 9.3.2007: Zur Einschätzung des Prozesses durch die Würzburger pax christi-Bistumsstelle
pax christi war durch die Bistumsstelle Würzburg als Prozessbeobachter vertreten und wird die Bischöfe Warduni von Bagdad und Louis Sako von Kirkuk über den Prozessverlauf und Ausgang ebenso informieren wie Pax Christi USA und Pax Christi International. Sie wird die Kontaktadressen der internationalen Organisationen weitergeben, die Agustin Aguayo und seine Familie im Augenblick betreuen. So können die Sektionen, in denen amerikanische Soldaten stationiert sind, aktiv werden können, sollte dort ebenfalls ein ähnlicher Prozess stattfinden.
Nach Einschätzung von pax christi Würzburg waren es nicht allein die Demonstranten vor dem Tor der Leighton Barracks und die Anwesenheit der Presse, die zu diesem ermutigenden Urteil führten, sondern die persönliche Unterstützung und Begleitung des Angeklagten während seines schwierigen persönlichen Weges vor allem durch die mennonitische Friedenskirche und andere Beratungsdienste und vor allem David Courts flammender Appell an das Gewissen der für diesen Prozess Verantwortlichen.
So ist es erfreulich, dass Aguayo aufgrund des verhängten Strafmaßes und der bereits absolvierten Untersuchungshaft bald in Freiheit
kommen wird. Andererseits macht das Militärgerichtsverfahren deutlich, wie
schwierig es auch in einem demokratischen Staat sein kann, die
Gewissensentscheidung eines Einzelnen gegen die militärischen Interessen
einer Regierung durchzusetzen. Trotz dieser ungerechten strukturellen
Vorgaben ist es jedoch erfreulich, dass David Court, der zivile Verteidiger Aguayos, die
Bedeutung der Gewissensfreiheit auch eines Soldaten in den Mittelpunkt
stellen konnte und dass der Richter dies auch mit einem maßvollen Strafmaß
würdigte. Wir verurteilen jedoch die Tatsache, dass es Aguayo im Vorfeld
dieses Verfahrens nicht möglich war, sein Recht auf Kriegsdienstverweigerung
geltend zu machen.
Dem Angeklagten wurde Desertion vorgeworfen. Ein Ziel der Gerichtsverhandlung bestand darin, heraus zu finden, ob Aguayo desertiert ist, oder ob er nur die Verlegung seiner Truppe verpasst hat (missing mouvement). Desertion bedeutet, in einem besonders schwer wiegenden Fall die Verlegung der Truppe zu verpassen und kann mit bis zu 7 Jahren Gefängnis geahndet werden. Aguayo wurde von der Anklage vorgeworfen, mit seinem Entfernen von der Einheit habe er sich geweigert, seinen Kameraden im Irak medizinische Hilfe zu leisten. Das sei ein besonders schwerer Fall von missing mouvement und damit als Desertion zu werten. Militärrichter Colonel R. Peter Masterton befand Agustin Aguayo in allen Punkten der Anklage - das heißt auch der Desertion - für schuldig. Vor dem Hintergrund dieses Schuldspruches überraschte das sehr geringe Strafmaß.
Mit diesem Strafmaß zeigte der Richter, wie stark er die Position des zivilen Verteidigers David Court berücksichtigte. Dieser argumentierte, dass im amerikanischen Militärrecht die Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen gar nicht vorgesehen sei. Agustin Aguayo habe sich seit seinem ersten Irakeinsatz stets geweigert eine Waffe zu tragen. Er habe während des Krieges erkannt, dass er nicht töten könne. Mehrere der Vorgesetzen Aguayos bestätigten dies als Zeugen. Ansonsten habe er allen Befehlen gehorcht. Aguayo selbst bekannte sich schuldig im Sinne der Anklage, sagte aber auch, er habe nicht nur erkannt, dass er selbst nicht töten könnte, sondern auch, dass er das Klima der Gewalt in der Armee selbst nicht mehr ausgehalten habe. Und dass er im Augenblick und auch in Zukunft nicht anders könne, als den Dienst in der Armee aus Gewissensgründen zu verweigern. Wörtlich sagte er am Ende seiner Ausführungen: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Verteidiger Court fragte dann auch nach dem Sinn der Strafe: Solle jemand dafür bestraft werden, dass er seinem Gewissen folge? Was wolle die Armee, dass Aguayo seine Überzeugung aufgebe? Und was sei, wenn eine harte Strafe das nicht erreiche? Was wolle die Armee mit einem Soldaten, der sich weigere, ein Gewehr zu tragen und der deshalb zu einer Gefahr für seine Kameraden werden könne? Ziel der Strafe sei die Rehabilitation. Eine solche sei im Falle Aguayos nur im zivilen Leben möglich. Auch dort könnten Menschen mit starken Prinzipien ihrem Land dienen. Welche Botschaft ginge von einer harten Bestrafung aus? Verlange die Regierung durch eine harte Bestrafung von einem Verweigerer aus Gewissensgründen nicht, er solle seine persönliche Überzeugung und sein Gewissen verleugnen? (Würzburg, 8.3.2007)